Freitag, 18.Juni 2021 – Vorträge – Zeitschiene 1 

„Kompetenzorientierter Einsatz mobiler Endgeräte im Unterricht der Grund- und Mittelschule“ – Förderung der Digitalen Grundbildung von Lehrkräften in Rahmen einer staatlichen Lehrkräftefortbildung auf Distanz (Ulrich Hierdeis, Maria Stein)

Dieser Einzelbeitrag greift die Fragestellung nach einer lernwirksamen und nachhaltigen Fortbildung von Lehrpersonen im Bereich der Digitalen Grundbildung auf und stellt einen möglichen Lösungsansatz vor. Im Fokus steht dabei die reflektierte Handlungsfähigkeit der Lehrkraft, Unterricht unter dem Blickwinkel des kompetenzorientierten Einsatzes mobiler Endgeräte zu entdecken und eigene Kompetenzen in diesem Bereich auf- bzw. auszubauen.

Der Einzelbeitrag zeigt das Design des moderierten Online-Seminars (MOS),
die unterschiedlichen Ebenen, die bei der Planung berücksichtigt wurden, und die zu erwerbenden Kompetenzen auf Seiten der Teilnehmenden. Er gewährt Einblicke in die Kursarbeit und in die didaktische Aufbereitung der Videokonferenzen.

Den Rahmen des gesamten Lehrgangs bildete ein Gestaltungsauftrag in Form eines e- Portfolios, um den eigenen Lernweg zu dokumentieren. Diese Portfolioarbeit diente am Lehrgangsende dem gegenseitigen Austausch, der Reflexion und dem Einüben von prozessbezogenem Feedback.

Vier Videokonferenzen flankierten diesen Prozess und setzten Impulse zur Weiterarbeit. Zusätzlich stand den Lehrkräften ein lehrgangsbegleitender Moodle-Kurs zur asynchronen Kommunikation und selbstgesteuerten Arbeit zur Verfügung, in dem zugleich auch die Portfolios gesammelt und präsentiert wurden.

Die Verschränkung der verschiedenen Formate (Videotutorials, Vorträge & Impulse in online- Sitzungen, Selbstlernmodule im LMS) eröffnete den Teilnehmenden eine neue Dimension der staatlichen Fort- und Weiterbildung.

“Let’s (not) get digital” – Pädagogische und psychologische Analysen der Perspektive von Studierenden des Grundschullehramts auf Smartphones (Astrid Carolus, Catharina Münch, Angelika Füting-Lippert & Sanna Pohlmann-Rother)

In unserer digitalisierten Welt sind Smartphones ständige Begleiter (Carolus et al., 2019) – auch für Kinder im Grundschulalter (KIM-Studie, 2018). Im schulischen Kontext werden sie aber weiterhin skeptisch bewertet (Füting-Lippert & Pohlmann-Rother, 2019; Gebel et. al, 2018). Der pädagogisch sinnvolle Einsatz digitaler Medien im Unterricht setzt didaktische und medienbezogene Kompetenzen auf Seiten der Lehrkräfte voraus. Neben dem Wissenfokussiert dieser Beitrag Überzeugungen als zentrale handlungsleitende Facetten professioneller Kompetenz (Baumert & Kunter, 2006), die aus psychologischer Perspektive in kognitive, emotionale sowie konative Faktoren differenziert werden.

In einem Online-Fragebogen wurden 128 Studierende des Grundschullehramts (89 % Frauen; 18-40 Jahre, M = 22.20; SD = 3.08) im Sommer 2019 (1) zur Mediennutzung, (2) zu Überzeugungen über Smartphones im Unterricht und (3) zu psychologischen Konstrukten (z.B. Persönlichkeit, Gratifikationen, Selbstwert) befragt.

Eine Clusteranalyse entlang der Kriterien Smartphone-Nutzung und Überzeugungen zum Smartphone-Einsatz im Unterricht unterteilt die Stichprobe in drei Cluster: Indifferente Wenig- Nutzer*innen, Kritische Viel-Nutzer*innen und Positive Intensiv-Nutzer*innen, die entlang der psychologischen Variablen weiter ausdifferenziert werden.

Ausgehend vom kompetenztheoretischen Modell pädagogischer Professionalität werden aus pädagogischer und psychologischer Perspektive anhand der vorliegenden Ergebnisse interindividuelle Unterschiede im Mediennutzungsverhalten sowie die medienbezogenen Überzeugungen der Studierenden diskutiert, um diesen im Rahmen der Professionalisierung noch konsequenter begegnen zu können.

Literatur:

Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 10, 469-520. https://dx.doi.org/10.1007/s11618-006-0165-2

Carolus, A., Binder, J. F., Muench, R., Schmidt, C., Schneider, F., & Buglass, S. L. (2019). Smartphones as digital companions: Characterizing the relationship between users and their phones. New Media & Society, 21(4), 914–938. https://doi.org/10.1177/1461444818817074

Füting-Lippert, A. & Pohlmann-Rother, S. (2019). Wie stehen angehende Lehrkräfte dem Smartphone-Einsatz im Grundschulunterricht gegenüber? Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik. Online-Magazin des Interdisziplinären Zentrums für Medienpädagogik und Medienforschung an der PH Ludwigsburg (20/2019).

Gebel, C., Brüggen, N., Hasebrink, U., Lauber, A., Dreyer, S., Drosselmeier, M., & Rechlitz, M. (2018). Jugendmedienschutzindex: Der Umgang mit onlinebezogenen Risiken – Ergebnisse der Befragung von Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften. Herausgegeben von: FSM – Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e. V.

Medienpädagogischer Forschungsbund Südwest (2018). KIM-Studie 2018. Kindheit, Internet, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger. URL: https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/KIM/2018/KIM-Studie_2018_web.pdf.

Informatik in der Grundschule – mehr als nur Programmieren! Ziele, Inhalte und Gelingensbedingungen der informatischen Grundbildung im Primarbereich (Alexander Werner, Anja Gärtig-Daugs, Linda Müller, Ute Schmid)

Wiederholt wird gefordert, Programmieren als Pflichtfach in der Grundschule zu integrieren. Hierdurch sollen Kinder beim Verstehen und kreativen Gestalten der digitalen Welt unterstützt werden. Dabei wird übersehen, dass Informatik mehr ist als nur Programmieren. Eine rein explorative Herangehensweise an das Coden reicht nicht aus, um die Funktionsprinzipien der digitalen Welt zu verstehen und zu hinterfragen. Begleitend hierzu sollten informatische Grundkonzepte wie Algorithmen und deren grundlegende Bestandteile wie Bedingungen und Schleifen systematisch einführt werden. Zusätzlich sollten Konzepte der digitalen Repräsentation oder künstlichen Intelligenz für Kinder erfahrbar gemacht werden. Hierzu bieten sich didaktisch reduzierte Spiel- und Erfahrungsmaterialien an. Im Vortrag werden Umsetzungsbeispiele der Forschungsgruppe Elementarinformatik vorgestellt, die an den Lehrplan der Grundschule anknüpfen und aufzeigen, dass viele informatische Denk- und Arbeitsweisen wie Zerlegung und Strukturierung von Problemen oder Abstraktion bereits aus anderen Fächern bekannt sind. Die Erfahrung aus den digitalen Lehr-/Lernlaboren an der Universität Bamberg zeigt, dass (angehende) Lehrkräfte informatischen Themen aufgeschlossener gegenüberstehen, wenn diese an ihnen bereits vertraute Lehrinhalte anknüpfen oder mit aktuellen Themen wie Bildung für nachhaltige Entwicklung motiviert werden. Die Möglichkeit, Informatikspiele und -systeme praktisch zu erproben, führt zu einer Stärkung der unterrichtsbezogenen Selbstwirksamkeitserwartung und zu einem größeren Interesse, informatische Themen auch unabhängig von der Einführung eines Pflichtfachs Informatik in den Unterricht einzubinden.

Konzeptionelle Begründungsmuster grundschulischer Medienbildung. (Andreas Dertinger)

Die tiefgreifende Mediatisierung (Hepp 2020) bedingt eine Veränderung des (grund-)schulischen Un- terrichts (Irion 2020). In der Praxis sowie der theoretischen Analyse geht dieser Veränderungsprozess mit einer großen Heterogenität medienpädagogischer Ansätze und einer Unsicherheit bezüglich deren pädagogischen Begründung für die Grundschule einher (Kammerl et al. 2020). Im Vortrag wird ein an Ludwig Duncker ausgerichteter Ansatz zur pädagogischen Begründung und zur konzeptionellen Ord- nung dieser Ansätze diskutiert. Die Relevanz grundschulischer Bildung begründet Duncker (2007) so- wohl anthropologisch als auch strukturfunktionalistisch. Ausgehend von den aktuellen pädagogischen Entwicklungen können auch medienpädagogische Konzepte in den Ansatz von Duncker eingeordnet werden (Dertinger 2020). Einerseits wird hierdurch die Notwendigkeit einer Medienbildung im Grund- schulalter gesellschaftlich und anthropologisch begründet. Andererseits können variierende medien- pädagogische Ansätze systematisch in die Grundschulbildung integriert werden.

In Anschluss an diese theoretische Positionierung wird im Vortrag aufgezeigt, wie sich der dargelegte Vorschlag in die Unterrichtspraxis einbinden lässt. Exemplarisch wird hierzu der Kompetenzrahmen zur „Bildung in einer digitalen Welt“ der KMK (2017) als Möglichkeit diskutiert eine strukturfunktiona- listische Verankerung der Medienbildung in der Grundschule vorzunehmen. Komplementär hierzu wird das Konzept der aktiven Medienarbeit als ein anthropologisch begründeter Ansatz dargestellt. In Anschluss an Duncker wird argumentiert, dass eine komplementäre Ergänzung beider Perspektiven eine „digitale Grundbildung“ gewährleisten kann.

Literatur:

Dertinger, A. (2020). Grundsatzfragen und Begründungslinien einer inklusiven Medienbildung in der Grundschule. Theoretische und konzeptionelle Überlegungen. In: M. Thumel, R. Kammerl & T. Irion (Hrsg.), Digitale Bildung im Grundschulalter. Grundsatzfragen zum Primat des Pädagogi- schen (S. 275-298). kopaed.

Dunker, L. (2007). Die Grundschule. Schultheoretische Zugänge und didaktische Horizonte. Beltz Juventa.

Hepp, A. (2020). Deep Mediatization. Key Ideas in Media & Cultural Studies. Routhledge.
Irion, T. (2020). Digitale Grundbildung in der Grundschule. Grundlegende Bildung in der digital gepräg- ten und gestaltbaren, mediatisierten Welt. In: M. Thumel,

R. Kammerl & T. Irion (Hrsg.), Digitale Bildung im Grundschulalter. Grundsatzfragen zum Primat des Pädagogischen (S. 49-84). kopaed.

Kammerl, R.; Dertinger, A.; Stephan, M. & Thumel, M. (2020). Digitale Kompetenzen und DigitaleBildung als Referenzpunkte für Kindheitskonstruktionen im Mediatisierungsprozess. In: M. Thumel, R. Kammerl & T. Irion (Hrsg.), Digitale Bildung im Grundschulalter. Grundsatzfragen zum Primat des Pädagogischen (S. 21-48). kopaed.

Kultusministerkonferenz (KMK) (2017): Bildung in der digitalen Welt. Strategie der Kultusminister- onferenz. Verfügbar unter:https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2018/Digitalstrate gie_2017_mit_Weiterbildung.pdf [Zugriff: 11.01.2021].

Bildung in einer digitalisierten Welt. Ein Konzept für den Unterrichtsalltag und Schulalltag in der Laborschule Bielefeld (Johanna Gold , Sabine Kaiser  & Ulrich Hartmann)

Im Rahmen des Vortrags werden erste Ergebnisse aus einem Projekt der Laborschule und Universität Bielefeld vorgestellt. Das Ziel des Projekts liegt in der empirisch gestützten Erarbeitung von Implikationen für ein schulisches Medienkonzept. Aus den Forschungsergebnissen sollen nachhaltige Konzepte abgeleitet werden, die die Integration digitaler Medien im Sinne des Verständnisses der Laborschule ermöglichen. Ein zentraler Leitgedanke sowohl für die pädagogische und didaktische Arbeit der Laborschule wie auch der medienpädagogischen Debatten um Bildung in einer digitalisierten Welt ist das „Primat der Pädagogik“ (Zylka, S. 7). Diese Prämisse betont den bildungstheoretischen Grundgedanken: „… wie Bildung zu einer Bewältigung von Medien- und Wissensgesellschaft beitragen kann.“ (Kerres 2008, S. 121). Somit rückt neben didaktischen Prämissen auch die Befähigung zu einer kritischen Teilhabe in einer digitalisierten Welt in den Vordergrund.Im Forschungsprozess werden pädagogische Positionierungen sowie Bedarfe aller schulischen Akteure herausgearbeitet. Das Ziel ist, die Heterogenität der medialen Praktiken der Lehrkräfte und Schüler*innen sichtbar zu machen, um anschließend diverse mediale Arrangements zu entwickeln, welche das Ziel einer Bildung für eine digitalisierte Gesellschaft verfolgen.Um die medialen Lebenswelten der Schüler und Lehrer zu erforschen, wird ein Mixed-Methods-Design verwendet. Im ersten Schritt wurden Gruppendiskussionen mit Schülern und Interviews mit Lehrkräften durchgeführt. Es werden Einblicke in das Material präsentiert und auf dieser Grundlage Überlegungen zu Integration von digitalen Lehr-Lern-Arrangements im Kontext Laborschule vorgestellt.

Literatur:

Kerres, Michael (2008): Mediendidaktik. In: Uwe Sander; Friederike von Gross und  Kai-Uwe Hugger (Hrsg.): Handbuch Medienpädagogik. Wiesbaden: VS, S. 116-122

Zylka, Johannes (2018): Digitale Schulentwicklung. Das Praxisbuch für Schulleitung und Steuergruppen. Weinheim und Basel: Beltz.

Die inhaltliche Ausgestaltung schulischer Medienkonzepte als Gelingens- bedingung zur systemischen Verankerung digitaler Grundbildung (Johanna Schulze)

Die Mediatisierung sämtlicher Lebensbereiche weist Einzelschulen in die Verantwortung, allen Heranwachsenden zu einer digitalen Grundbildung zu verhelfen (European Commission, 2020). Schulische Medienkonzepte werden in diesem Kontext als Instrumente der Schulent- wicklung verstanden. Sie tragen dazu bei, die notwendigen Kompetenzen der digitalen Grund- bildung systemisch auf Einzelschulebene zu verankern und gleichzeitig zu einer gerechten Mit- telverteilung bei der Medienentwicklungsplanung oder im Zuge des DigitalPakts Schule (BMBF, 2019) zu verhelfen (u.a. Heldt, Lorenz & Eickelmann, 2020). Der Mehrwert schuli- scher Medienkonzepte für die Verankerung digitaler Grundbildung hängt dabei jedoch maß- geblich von deren inhaltlichen Ausgestaltung ab.An dem Punkt setzt der Beitrag an und geht der Frage nach, welche Inhalte in schulischen Medienkonzepten vorzufinden sind, wie diese analysiert werden können und inwiefern sie (au- ßer-)schulischen Funktionszuschreibungen nachkommen.
Die Datengrundlage stellen explorative Erkenntnisse längsschnittlicher Fallstudien dar, in wel- chen schulische Medienkonzepte von vier Fallschulen, die als fortschrittlich in ihrem Handeln bezeichnet werden können und sich durch ähnliche Kontextmerkmale kennzeichnen (Isaac, 2011), inhaltsanalytisch ausgewertet wurden.Neben der Vorstellung des Analysevorgehens und dessen Ergebnisse, welche zur expliziten Nachbesserung bei der inhaltlichen Ausgestaltung schulischer Medienkonzepte auffordern, sol- len die Ausführungen in einem zweiten Schritt als Ausgangspunkt für Überlegungen zu not- wendigen Konsequenzen auf Ebenen der Bildungspolitik, -administration und -praxis (insbe- sondere für den Primarbereich) dienen.Literatur:Bundesministerium für Bildung und Forschung [BMBF] (2019). Verwaltungsvereinbarung DigitalPakt Schule 2019 bis 2024. Verfügbar unter: https://www.bmbf.de/files/VV_DigitalPakt-Schule_Web.pdf [Letzter Abruf: 16.12.2020].European Commission (2020). Digital Education Action Plan 2021-2027. Resetting education and training for the digital age. Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/education/sites/edu-cation/files/document-library-docs/deap- communication-sept2020_en.pdf [Letzter Abruf: 16.12.2020].

Heldt, M., Lorenz, R. & Eickelmann, B. (2020). Relevanz schulischer Medienkonzepte als Orientierung für die Schule im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung. Unterrichtswissenschaft, 48(3), 447-468.

Isaac, K. (2011). Neues Standorttypenkonzept. Faire Vergleiche bei Lernstandserhebungen. Schule NRW. Amts- blatt des Ministeriums für Schule und Bildung, 6/11, 300-301.

Digitaler Ganztag: Chance für die Grundschulentwicklung (Dr. Volker Titel)

Der Ausbau von Ganztagsangebote im Grundschulbereich gehört zu den wichtigsten bildungs- politischen Entwicklungen der letzten Jahre. Mit ihm kann nicht nur auf den wachsenden Be- treuungsbedarf reagiert werden, er bietet vielmehr die Chance, Grundschulentwicklung insge- samt zu beleben. Dies gilt in besonderem Maße auch für Fragen der Medienbildung im digita- len Kontext.

Der Beitrag beschäftigt ausgehend von Erfahrungen vor- und während der Corona-Krise zu- nächst mit Potenzialen und Herausforderungen beim Ausbau schulischer Ganztagsangebote mit Blick auf das Ziel einer ganzheitlichen Förderung der Kinder. Aufgezeigt werden dabei auch vielfach in Praxis vorzufindende Hemmnisse, die einer erfolgreichen Schulentwicklung entge- genstehen. Im zweiten Teil des Beitrags werden drei Bereiche benannt, in denen ›Digitaler Ganztag‹ für die praktische Umsetzung interessant sein kann:

• Verbindung von Unterricht und außerunterrichtlichen Angeboten • Außerunterrichtliche Projektarbeit
• Schulische Qualitätsentwicklung

Digitale Grundbildung – dies ist die zentrale These des Beitrags – entfaltet ihre Potenziale ins- besondere dann, wenn es gelingt, Elemente der formalen und nonformalen Medienbildung in einem gemeinsamen (ganztags)schulischen Konzept zu entwickeln.

„Digitale Bildung“ in der Kritik – Plädoyer für eine „Grundbildung Medien“ (Prof.Dr. Horst Niesyto)

Die Tagung steht unter dem Thema „Professionalisierung für die Digitale Grundbildung“. Die Bezeichnungen „digitale Bildung“ und „digitale Grundbildung“ sind umstritten. So wird u.a. darauf hingewiesen, dass durch diese Bezeichnungen die Vieldimensionalität der medienpädagogischen Aufgabenstellung verkürzt wird. Digitale Technik und digitale Ästhetiken verändern zwar bisherige analoge Zeichen- und Symbolsysteme, sie ersetzen diese aber nicht. Auch wird darauf hingewiesen, dass derzeit unter dem Label „digitale Bildung“ ein Vormarsch von IT-Wirtschaftsfirmen an Schulen stattfindet.

Der Beitrag wird im ersten Teil auf Vorbehalte gegenüber der Bezeichnung „digitale Bildung“ bzw. „digitale Grundbildung“ eingehen und zentrale Kritikpunkte unter Bezug auf bisherige Analysen benennen und dabei auch Beiträge aus der internationalen Fachdiskussion berücksichtigen. Der zweite Vortragsteil skizziert Ziele und Dimensionen einer „Grundbildung Medien“ im Lehramtsstudium für die Primarstufe. Eine solche Grundbildung orientiert sich an einem umfassenden Verständnis von Medienbildung. Dabei wird auch auf Befunde aus neueren Studien hingewiesen, die strukturkonservative Einstellungen unter Studierenden belegen. Ohne eine selbstreflexive Auseinandersetzung mit solchen Einstellungen werden Lehrkräfte nur sehr begrenzt in der Lage sein, mit Schüler*innen Bildungs- und Lernprozesse mit, über und durch (digitale) Medien zu fördern. Auch im Hinblick auf Schüler*innen ist die Empfehlung, statt einer „Digitalen Bildung“ eine Mediengrundbildung fächerintegrativ und fächerübergreifend zu etablieren.

Literaturhinweise

Hug, Theo/ Madritsch, Reinhold (2020): Globale Bildungsindustrie – Erkundungen zum Stand der Dinge in Österreich. In: Zeitschrift medienimpulse, Ausgabe 4/2020 (47 Seiten). https://journals.uni- vie.ac.at/index.php/mp/article/view/4320/5203

Niesyto, Horst (2021): ‚Digitale Bildung‘ wird zur Einflugschneise für die IT-Wirtschaft. In: medien + erziehung, Heft 1/2021. S. 23-28. Eine Langfassung des Beitrags ist online zugänglich: https://horst-niesyto.de/wp-content/uploads/2021/02/2021_Niesyto_digitale_Bildung_IT-Wirtschaft_Langfassung.pdf

Niesyto, Horst (2019): Grundbildung Medien in der Primarstufenbildung. Ergebnisse des Entwicklungsprojekts dileg-SL. In: Digitale Bildung im Grundschulalter. Grundsatzfragen zum Primat des Pädagogischen, hrsg. von Mareike Thumel, Rudolf Kammerl, Thomas Irion. München: kopaed. S.191-214.

Computational Thinking in der Hochschule – Förderung digitaler Kompetenz im Bereich „Coding und Robotik“ bei Grundschullehramtsstudierenden (Raphael Fehrmann, Horst Zeinz)

Damit kommende Generationen Systeme der Informations- und Kommunikationstechnologie reflektiert und mündig nutzen können, ist neben dem Erwerb von Kompetenzen der Bedienung und einer Reflexion über Potenziale und Risiken in der Verwendung digitaler Medien insbesondere auch Wissen um technisch-algorithmische Funktions- und Wirkungsweisen notwendig. Zur Realisierung digitaler Bildung, die ab der Grundschule den Aufbau eines informatischen Grundverständnisses umfasst, ist es erforderlich, dass Lehrkräfte im Bereich „Coding und Robotik“ didaktisch-methodisch und wissenschaftlich qualifiziert sind.Im Rahmen des in der ersten Phase der Lehrkraftausbildung angesiedelten Lehrprojekts „Lernroboter im Unterricht“ (WWU Münster), dessen didaktisch-methodische Konzeption im Rahmen des Vortrages vorgestellt wird, werden Grundschullehramtsstudierende für die Vermittlung medienbezogen-informatischer Kenntnisse qualifiziert. Die didaktisch-methodische Kompetenz sowie die eigene Handlungsfähigkeit der Studierenden im Bereich digitaler Bildung wird durch das Schaffen von Denk- und Erfahrungsräumen insb. im Bereich des „Problemlösens und Modellierens“ und unter Einbezug verschiedener Lernroboter ermöglicht.Empirisch wird der Kompetenzerwerb der Grundschullehramtsstudierenden durch eine quasi-experimentelle Längsschnittstudie (Prä-Posttest-Design mit unbehandelten Kontrollgruppen) evaluiert. Erste Evaluationsergebnisse werden im Vortrag präsentiert. In der anschließenden Diskussion können Konsequenzen für die Lehrkraftaus- und ‑fortbildung hinsichtlich der digitalen Bildung abgeleitet und weitere Umsetzungsmöglichkeiten in allen Phasen der Lehrkraftbildung definiert werden.

Digitale Medienboxen – Ausgewählte fächerübergreifende Unterrichtmaterialien zur Schaffung und weiteren Unterstützung von Bewältigungsstrategien in einer zunehmend digitalen (Unterrichts-)Welt (Dr. Ulrich Fahrner, Mario Draghina)

Den Einzug digitaler Medien in den Grundschulunterricht betreffend wird zukünftigen Lehrkräften eine wichtige Rolle zugeschrieben: Es liegt mitunter an ihnen, kommende Schülergenerationen auf den sinnvollen Umgang mit einer zunehmend digitalen Welt vorzubereiten. Eine hierfür benötigte basale Expertise liegt im Bereich der Medienkompetenz, speziell in Form einer Gestaltungskompetenz.Das vorzustellende Konzept fokussiert die Ausbildung digitaler Gestaltungskompetenzen bei angehenden Lehrkräften im Bereich der Grundschule. Der pädagogisch sinnvolle sowie didaktisch durchdachte Umgang mit digitalen Medien steht hierbei im Vordergrund und beinhaltet neben einer Auseinandersetzung mit fachübergreifenden Medienbildungsthemen auch einen Kompetenzaufbau im produktiven Umgang mit privaten mobilen Endgeräten. Nach anfänglichen medienpädagogischen und -technischen Inputblöcken erhalten die Teilnehmer*innen die Möglichkeit, in projektorientierter Kleingruppenarbeit die audiovisuelle Gestaltung einer Unterrichtseinheit (digitaler Content & analoge Erweiterung) unter Zuhilfenahme eigener Smartphones zu verantworten. Diese Einheit wird anschließend unter realen Bedingungen in Kooperation mit externen Partnern (Schulen) durchgeführt, dabei von etablierten Lehrkräften begleitet und in der Folge von ebendiesen evaluiert.Das mittelfristige Ziel ist der Aufbau einer auf dem Lehrkräfte-Feedback basierenden und sich aus mehreren Durchführungszyklen der Veranstaltung ergebenden Sammlung besonders geeigneter Endprodukte, die anleitungsgestützt weiteren Bildungseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden soll.

Transferforschung und Digitalisierung – Eine empirische Studie zu den Gelingensbedingungen des Digitalen Wandels bei (angehenden) Sachunterrichtslehrkräften (Martin Brämer, Dr. Daniel Rehfeldt, Prof Dr. Hilde Köster)

Wenn ‚Informatische Bildung‘, wie von der KMK sowie von sachunterrichtsdidaktischer Seite gefordert (KMK, 2017; AG Medien & Digitalisierung, 2019), ein Teil des Sachunterrichts wird, kann man dies als einen sog. „Transfer einer Innovation“ (Gräsel, 2010, 8) in ein bestehendes Bildungssystem (die Grundschule) bezeichnen. Ein solcher Transfer erfordert vor allem die Mitwirkung von Sachunterrichtslehrkräften. Befunde aus der Transferforschung zeigen, dass die Motivlagen bzw. Interessen, die Kompetenzen sowie Kompetenzeinschätzungen (bspw. L-SWE) von Lehrkräften bezogen auf den Gegenstand der Innovation (hier bspw. die Informatik), entscheidend dafür sind, dass Lehrkräfte diese neuen Inhalte zukünftig in ihren Unterricht integrieren (Trempler et al., 2013, Jäger, 2004). Über die Ausprägungen der Interessen, Kompetenzen und SWE bei (angehenden) Lehrkräften in Bezug auf Informatische Bildung ist jedoch bisher wenig bekannt (vgl. Best, 2019; Straube et al., 2020).

Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, diese verschiedenen Konstrukte unter dem theoretischen Rahmenkonzept der Transferforschung zu beleuchten. Hierfür werden sowohl die Ausprägungen als auch die reziproken Zusammenhänge der informatikspezifischen Interessen, der informatikspezifischen Lehrer*innenselbstwirksamkeitserwartungen (I-L-SWE) und der bisherigen Programmierkenntnisse (als Kompetenzeinschätzung im Bereich Informatik) von angehenden und aktiven Sachunterrichtslehrkräften (n=100/22) untersucht.

„Einstellungen von (angehenden) Grundschullehrkräften zur Informatik und informatischen Bildung“ (Palmer Parreira, Susanne & Martschinke, Sabine)

Obwohl Kinder in zunehmendem Maße in einer von Informatik geprägten Lebenswelt aufwachsen, haben Lehrkräfte häufig Vorbehalte und eine eher skeptische Haltung gegenüber informatischer Grundbildung in der Grundschule. Auch andere Einstellungen (z.B. geringes Selbstkonzept, niedrige Selbstwirksamkeitserwartungen) stehen einer Umsetzung im Unterricht im Weg. Deswegen wurde in einer hochschuldidaktischen Pilotstudie ein Unterrichtsprojekt in ein Seminar für Studierende integriert. Die Studierenden bekamen zusätzlich zu einem theoretischen Input über informatische Grundbildung und ihre Bedeutung Einblicke in das Projekt „Was und wie arbeiten Informatiker?“ (Palmer Parreira & Martschinke 2020), analysierten das erprobte Material und das unterrichtliche Vorgehen, verbunden mit Beobachtungen in Klassen.

In einer Evaluationsstudie wurden Studierende aus 3 Seminaren (N=29) zu ihren Einstellungen vor und nach dem Seminar gefragt. Geprüft wurde, ob das Seminarangebot die Einstellungen positiv verändert und damit eine Gelingensbedingung für die dringend notwendige Professionalisierung von Lehrkräften sein kann.

Die Evaluationsstudie (Prä-Post-Test-Design) nutzt einen adaptierten Fragebogen (Drexl u.a. 2019) zu Einstellungen Studierender (Interesse an Informatik, informatisches Selbstkonzept, Freude an der Vermittlung informatischer Bildung, Selbstwirksamkeit bei der Vermittlung informatischer Bildung, Bedeutung informatischer Bildung).

Die Werte aller Variablen stiegen signifikant (t-Tests) an. Zusätzlich decken signifikante Korrelationen enge Zusammenhänge zwischen der Entwicklung der Bedeutung und der Selbstwirksamkeit auf, die wiederum eng mit der positiven Entwicklung der Freude an der Vermittlung informatischer Grundbildung zusammenhängt.

Das Seminarkonzept und diese und weitere Ergebnisse zur Frage nach dem Zusammenspiel aller Variablen (und mit Vorerfahrungen) werden im Vortrag vorgestellt.

Literatur:

Drexl, D., Born-Rauchenecker, E., & Kalicki, B. (2019). Naturwissenschaftliche Einstellungen angehender pädagogischer Fachkräfte. Frühe Bildung, 8, 30-36.

Palmer Parreira, S. & Martschinke, S. (2020).  Ziele und Möglichkeiten informatischer (Grund-)Bildung in der Primarstufe am Beispiel der Evaluation eines Unterrichtsprojekts. In M. Thumel, R. Kammerl & T. Irion, (Hrsg), Digitale Bildung im Grundschulalter (S.253-271). kopaed: München.